Wolke sieben – rosa Brille, sich anziehend finden und verliebt sein ineinander markiert den Beginn einer Partnerschaft. Galant und entspannt schauen beide Partner über die klitzekleinen Makel des anderen hinweg. „Mensch, ich hab da aber auch wirklich einen netten Kerl“ oder „eine so nette Frau geheiratet…“. Und „Das kriegen wir schon noch hin“, ist die entspannte Haltung bezüglich der etwas merkwürdig antönenden Seiten. Gemeint ist, den (oder die) kriegen wir schon noch an den störenden Stellen repariert. Er wird schon noch ordentlicher, auch ein bißchen sportlicher und sie wird sicherlich irgendwann ein bißchen lockerer. Und dann …beginnen die Spiele und es wird daran gearbeitet, 10, 20 Jahre oder mehr, aber… der Erfolg bleibt aus und die Lebensqualität sinkt. Aus psychologischer Sicht ist das eigentlich ganz plausibel zu erklären, denn, wenn mein Partner – mein so-sein – meine Autonomie, angreift, ist Verteidigung angesagt und je mehr Paare versuchen einander zu ändern, desto verlässlicher bleibt das Gegenüber in der Regel derselbe.
Druck = Gegendruck.
John Gottman, emeritierter Professor für Psychologie an der University of Washington, erforscht seit Jahrzehnten in seinem Love Lab, wie Paare miteinander umgehen. Und zwar am lebenden Objekt. Er beobachtet Paare dabei, wie sie sich streiten, über die Vergangenheit sprechen oder ihren Alltag gestalten. Und er fand hochinteressante Informationen heraus, unter anderem nämlich, dass 69 % aller Konflikte in Beziehungen unlösbar sind. Wenn man sich das einmal vorstellt … 69 % der Konflikte, die viele von uns im Alltag austragen, gehören dauerhaft zu unseren Beziehungen – sind nicht zu ändern… Natürlich ist dies ein statistischer Wert. Es gibt also Paare, bei denen der Anteil nichtlösbarer Konflikte niedriger ist. Bei anderen wieder höher….
Wir hoffen uns noch zu Tode – Hoffnung könnte man auch Blödheit nennen“
provoziert dazu der Paartherapeut Arnold Retzer. Reine Liebe – und der dauerhafte Verbleib auf Wolke sieben – , so wie wir es uns mit 16 vorgestellt haben, ist mit dem echten Leben unvereinbar, so seine Überzeugung.
Resignative Reife kann helfen, so nennt der Paartherapeut die Einsicht, dass man den anderen Menschen nicht ändern kann und dass es in jeder langen Beziehung Themen gibt, die immer wieder Streit entfachen. Daraus resultierend eine klare Empfehlung: Lassen wir die Versuche unseren Partner auf Vordermann zu bringen und ebenso für sein Glück zuständig zu sein. Denn, wer jahrzehntelang hofft, dass der Partner sich ändert, macht einen großen Fehler und sich selbst das Leben schwer, so Retzer, erst das Aufgeben dieser Hoffnung und den damit verbundenen Erwartungen an ihn oder sie führt nach seiner Auffassung zu deutlich mehr Lebens- und Beziehungsqualität. Gleiches gilt vermutlich auch im Zusammenleben mit anderen Menschen: der Schwiegermutter, dem Nachbar, den Kindern…
Aber Vorsicht: Damit einher geht ent-täuscht werden bzw. sich selbst enttäuschen von Vorstellungen (Täuschungen) die man hoffnungsfroh lange festgehalten hat.
Dennoch: Mit dieser Einsicht und dem „realistischeren“ Blick auf den anderen (und auf sich selbst), kann dann neu besprochen und ausgehandelt werden, wie Beziehung für beide „trotzdem“ erfüllend sein könnte oder aber ob man besser getrennte Wege geht.
Von toten Gäulen sollte man vielleicht auch mal absteigen?“
„Resignieren“ und „aufgeben“ hat zwar keine Lobby, diese Art „Hoffnungslosigkeit“ könnte aber eindeutig mit mehr Lebensqualität einhergehen und somit ganz hilfreich sein, deshalb heißt es auch resignative REIFE! Und so wird am Ende vielleicht dann aus der Grundüberzeugung „die Hoffnung stirbt zuletzt“ die Haltung „aus Erfahrungen kann man lernen“ und entspannteres Dasein und Miteinander folgen. Never give up versus lass mal gut sein…?
Vielleicht ermöglicht das Unterlassen meiner Verbesserungsversuchen auch beim Gegenüber dann ganz neu die Möglichkeit sich zu ändern. Wer sich nicht mehr verteidigen muss, kann möglicherweise eher Macken und Besonderheiten aufgeben, denn,
wer muß, der kann nicht – wer kann, will vielleicht…“
Ja, diese Überlegungen sind sehr nüchtern, machen uns aber vielleicht auch wacher, erwachsener, entspannter und souveräner… „Ich gebe auf, das wird nix mehr mit seiner Pünktlichkeit…“- führt vielleicht zu einer ganz neuen Gelassenheit?
Erst recht kann dieser Perspektivenwechsel helfen, wenn wir uns bewusst machen, dass auch sehr viele andere Lebensbereiche – mit dem Partner, den Kindern, der Schwiegermutter…. – absolut passabel oder gar richtig gut sind…
Gäbe es einen Bereich, in dem Du Deine Versuche, Deinen Partner (Deine Kinder…) in Ordnung zu bringen, aufgeben könntest? Was wäre, wenn in diesem Bereich nichts mehr zu machen wäre…? Wo könntest Du ein Friedensfähnchen hissen? Welche Schlüsse ziehst Du dann? Kannst Du heute Abend ja mal überlegen.