Theoretische Grundlagen zu Bindung, Bindungserfahrungen von Pflegekindern und daraus möglicherweise resultierende Bindungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten bilden die Grundlage des Seminars. Das ist enorm praxisrelevant, weil viele Pflegeverhältnis auf Grund herausfordernden Verhaltensweisen scheitern.
Die herkömmliche Meinung ist, dass das Aufwachsen eines Pflegekindes sich von dem Aufwachsen anderer Kinder nicht unterscheiden würde. Schließlich hat der junge Mensch eine ihn umsorgende Familie, erfährt Bindung und wächst in einem geborgenen Zuhause auf bei Eltern (Pflegeeltern), die sich willentlich für das Kind entschieden haben. Tatsächlich ist es jedoch so, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Nur 50% von ehemaligen Pflegekindern gelingt es als Erwachsenen, ökonomische Selbstständigkeit, gute Familienbeziehungen und gute Fürsorge für ihre eigenen Kinder zu verwirklichen. Sie haben ein erhöhtes Risiko, als junge Erwachsene delinquent, drogenabhängig oder psychisch krank zu werden oder im jungen Erwachsenenalter eines unnatürlichen Todes – vor allem durch Suizid – zu sterben (Wiemann 2010). Stabilität und Perspektivklärung kommt daher eine wichtige Rolle zu, denn diese Faktoren sind von besonderer Bedeutung für das psychisch gesunde Aufwachsen von Menschen. Die Verfahrensweise der Fremdunterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie und der weitere Verlauf des Pflegeverhältnisses hat entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des jungen Menschen.
Aus den gemachten Bindungserfahrungen von Pflegekindern und daraus resultierenden Verhaltensauffälligkeiten ergeben sich Schlussfolgerungen für den Umgang mit dem Pflegekind und für die Pflegeeltern. In das Seminar fließen zudem Erkenntnisse meiner einjährigen wissenschaftlichen Praxisforschung mit Pflegeeltern ein, diese kommen in ihrem eigenen Erleben in Bezug auf die Bedeutung der Perspektivklärung zu Wort.